„An einem anderen Ort hätte man unser Haus vermutlich so auch gar nicht bauen können.“ Ein Gespräch mit Lisa Rümmele vom kleinen Löwen Bregenz

Am Kornmarktplatz in Bregenz haben Lisa Rümmele und Johannis Glatz ein Haus neu gedacht und damit einen besonderen Blickfang geschaffen. Der kleine Löwe steht heute selbstverständlich im Stadtbild, doch sein Weg dorthin war alles andere als gewöhnlich. Im Gespräch erzählt Lisa Rümmele von den ersten Momenten dieses Projekts, von mutigen Entscheidungen und davon, was ein Gebäude bewirken kann.

Lisa Rümmele, der kleine Löwe hat sich in kürzester Zeit zu einem architektonischen Highlight am Kornmarktplatz entwickelt. Wie begann die Geschichte dieses Hauses für Sie persönlich?
Mit einer Mischung aus Traum und Witz. Dass Herzog & de Meuron tatsächlich unser Haus planen würden, daran hatte ich anfangs ehrlicherweise nicht geglaubt. Und auch als klar war, dass das Basler Architekturbüro tatsächlich die Planung übernimmt, war mir nicht bewusst, welche Tragweite dieses Projekt am Ende hat. Ich staune noch immer.

Als Grundlage diente ein historischen Gebäude mitten in Bregenz. Was war die größte Herausforderung, als Sie beschlossen, es zu neuem Leben zu erwecken?
Es war vor allem der Standort selbst – die Lage, mitten am urbansten Platz der Stadt (und darüber hinaus), nur einen Steinwurf vom Bodenseeufer entfernt. Dazu umgeben von großartiger Architektur wie dem Kunsthaus, dem vorarlberg Museum oder auch dem Landestheater. Dass die historische Fassade erhalten wurde, war eine konzeptionelle Entscheidung der Architekten – es gab keine Vorgaben des Denkmalschutzes. Diese Entscheidung hat den Bau noch etwas komplexer gemacht, innerstädtisches Bauen erfordert insgesamt viel Durchhaltevermögen. Außerdem ist man an so einem Standort auch der allgemeinen Meinung der Stadtbewohner:innen ausgesetzt, aber ich habe das Gefühl, die mögen unser Haus genauso, wie unsere Gäste es tun.

Mit Herzog & de Meuron haben Sie ein international renommiertes Architekturbüro an Ihrer Seite. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und was hat Sie und Johannes Glatz an ihrem Entwurf besonders überzeugt?
Wir haben sie einfach gefragt. Ein gemeinsamer Freund (Dietmar Steiner, Gründer Architekturzentrum Wien) hat uns aber unterstützt und darin bestärkt, hartnäckig zu bleiben – ohne Dietmar gäbe es dieses Haus vermutlich nicht. Herzog & de Meuron waren von Anfang an interessiert an unserem Projekt: die Spannung zwischen Alt und Neu, zwischen der Öffentlichkeit am Platz und der unerwarteten Stille im Garten hinter dem Haus, die Lage zwischen See und Berg und natürlich auch der schmale Grundriss, der sehr herausfordernd in der Planung war. Was sie dazu gebracht hat, das Projekt tatsächlich umzusetzen kann ich nicht beantworten. Was ich sagen kann: Die Zusammenarbeit war großartig und immer auf Augenhöhe.

Wie haben Sie diese Balance zwischen Bewahren und Neudenken gefunden?
Herzog & de Meuron haben sich vor der Entwurfsphase intensiv mit dem Haus, dem Ort, der Geografie und auch der Geschichte auseinandergesetzt. Dabei hat sich gezeigt, dass sich die Fassade im Laufe der Zeit (also während der letzten 220 Jahre) und der unterschiedlichen Nutzungen immer wieder verändert hat. Fenster wurden zugemauert, dann wieder geöffnet – das Haus war erst Brauerei, dann Kino, Bank und sehr lange auch ein Feinkostladen. Jetzt wurde die Fassade wieder verändert, im oberen Hotelgeschoss gibt es eine neue, schlitzartige Öffnung – sie bringt Licht in die Zimmer und gibt die Sicht zum Platz frei. Im Haus selbst gibt es viele Elemente und Details, die auf den ersten Blick alt erscheinen – vielleicht deshalb, weil sie sehr aufwändig und langlebig sind, etwas das man heute eben nicht mehr so oft sieht. Wie etwa ein massiver Handlauf aus Holz, eine Oberfläche aus Zinn oder das Stirnparkett im Salon.

Die natürlichen Oberflächen und Details wirken konsequent und zugleich selbstverständlich. Wie formt sich diese Materialität?
Wir hatten hier keine konkreten Vorstellungen – alles ist in einem direkten Austausch mit den Architekten entstanden. Nur dass Holz eine große Rolle spielen würde, war von Anfang an klar. Im ganzen Haus befinden sich viele geölte Oberflächen aus Eiche, auch in den Bädern. Was die Gestaltung insgesamt ausmacht, sind sicher die vielen Rundungen. Es gibt praktisch keine Kanten, alle Ecken sind abgerundet. Insgesamt ist das Konzept hier sehr reduziert und klar, farblich holen die Räume die Außenwelt herein. Die Zimmer zum Garten etwa das Grün der Bäume, bei den Zimmern zum Platz ist es das Blau der Fassade. Bei allen Oberflächen war die Haptik besonders wichtig. Das spüren auch die Gäste, etwa beim langen hölzernen Handlauf der Treppe – es macht einen Unterschied, man möchte es einfach anfassen und darüberstreichen.

Sie arbeiten eng mit regionalen Handwerksbetrieben und nachhaltigen Materialien. Können Sie ein Beispiel nennen, an dem sich diese Haltung besonders zeigt?
Das zeigt sich im ganzen Haus – für fast alle Gewerke waren Betriebe aus Vorarlberg verantwortlich. An einem anderen Ort hätte man unser Haus vermutlich so auch gar nicht bauen können. Für ein Projekt wie unseres braucht man Handwerker, die die Herausforderung suchen und sich nicht mit einfachen Lösungen zufriedengeben. Allein wie der Trockenbauer getüftelt hat, um die Rundungen der Bäder perfekt umzusetzen, hat mich tief beeindruckt. Dasselbe gilt aber für alle Handwerksbetriebe, die hier mitgearbeitet haben – ohne sie wäre der kleine Löwe nicht, was er heute ist.

Der kleine Löwe hat nur acht Zimmer – ein bewusst kleiner Rahmen. Welche Idee steckt hinter dieser Entscheidung?
Das hat der schmale Grundriss so vorgegeben, mehr war schlichtweg nicht möglich. Aber klar, es kommt unserer persönlichen Idee vom Gastgeben sehr nahe, wir mögen diese kleine Struktur sehr.  Sie macht das Haus besonders intim und familiär, man kann viel besser auf die Menschen eingehen.

Viele Gäste beschreiben den kleinen Löwen als „Ort mit Seele“. Was glauben Sie, macht diese Atmosphäre aus?
Das erklärt sehr deutlich die Kraft guter Architektur. Die Menschen kommen in unser Haus und fühlen sich sofort wohl, woran es liegt, können sie nicht erklären. Hier passiert viel unterbewusst, es ist eben das Zusammenspiel aus Materialisierung, Farben, Licht, Perspektiven – das Haus hat etwas sehr Warmes, Wohliges und nimmt einen gleich auf. Auch unsere beiden kleinen Söhne haben schon in der ersten Nacht hier im Haus in ihren Betten geschlafen, in unserer alten Wohnung hat das nie funktioniert. Und dann sind es vielleicht auch kleine Details, wie etwa die Schuhablagen in den Zimmern, oder die Etagenbar, die allen Gästen offen zur Verfügung steht – fast alle Gäste nutzen sie und fühlen sich damit sicher auch ein Stück weit zuhause. Man muss das Haus aber auch mit Leben füllen, das tun wir als Familie, aber natürlich auch mein Team – das persönliche Gastgeben macht sehr viel aus. „Es ist heilsam, einfach heilsam.“ Das hat vor kurzem eine Frau auf die Frage, wie es ihr bei uns gefällt, geantwortet. Solche Momente rühren uns sehr. Das Haus zieht einfach liebe Menschen an, wunderbar!

Gibt es ein Detail im Gebäude oder im Interior, das Ihnen besonders am Herzen liegt – vielleicht etwas, das viele gar nicht sofort wahrnehmen?
Besonders gern mag ich unsere Bäder – sie sind sehr klein, durch die runde Wand und die schneckenförmige Dusche aber wirklich speziell, man fühlt sich unter der Dusche sehr wohl, fast umarmt.

Zum Schluss: Was habt ihr beim Entwerfen und Umsetzen des kleinen Löwen über euch selbst oder eure Haltung gelernt?
Ich persönlich habe gelernt, wie wichtig es ist, stringent zu bleiben. Das war in den ersten Wochen eine echte Herausforderung – das Haus war fertig, aber viele kleine Dinge hatten noch gefehlt – vom Papierkorb bis zum Wasserglas. Hier ist man dann versucht, schnelle Lösungen zu finden und kann sehr viel kaputt machen. Das musste ich aushalten.

 
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